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Famulus Modellgeschichte
 
Wir schreiben das Jahr 1956. Der Vorgänger des Famulus der RS04/30, auch liebevoll "Oma" genannt, wird seit mittlerweile drei Jahren erfolgreich gebaut. Dieser Schlepper war die erste richtige Neuentwicklung in der DDR und wurde als sogenannter Vielzweckschlepper gebaut. Er sollte die Kleinschlepper Aktivist und Brockenhexe ablösen. Der RS04/30 war mit seiner Konstruktion allen anderen DDR Schleppern überlegen, lediglich der RS01/40 Pionier und der RS01/40 II Harz konnte ihn in der Zugleistung übertreffen. Der RS04/30 hatte bereits eine Heckhydraulik, welche als Schwinge ausgelegt war. So konnte der Traktorist viele Gerätschaften allein an den Schlepper anbringen und auf dem Acker bedienen. Der RS04/30 wurde anfangs mit einer sehr großen Kabine ausgeliefert. Ab Fahrgestellnummer 5779 hat man ihm ein einfacheres Wetterdach spendiert. Ich persönlich finde den RS04/30 besonders mit der Kabine sehr schön und vor Allem sehr auffällig.
Links ein RS04/30 mit großer Kabine, rechts ein RS04/30 mit Wetterdach auf der Agra 2007
 
Beide Ausführungen sind eher selten anzutreffen, die meisten noch erhaltenen RS04/30 haben leider kein Dach mehr. Dies mag auch daran liegen, dass viele privat Besitzer damals keine Unterstellmöglichkeit hatten, die es erlaubte den RS04/30 mit Dach unter zustellen. So sind im Laufe der Zeit sehr viele Kabinen und Wetterdächer abmontiert worden und dann entweder im Schrott gelandet oder aber draußen unter freiem Himmel verrottet. Von 1953 bis 1956 wurden in Nordhausen 7574 RS04/30 hergestellt und ausgeliefert. Wie viele dieser Schlepper heute noch existieren ist wohl unmöglich zu beziffern. Es werden aber nicht so viele sein, da sein größter „Feind“ auch sein Nachfolger werden sollte. Diejenigen, die zu DDR Zeiten einen Schlepper in der Größe und Leistungsklasse RS04/30 bzw. Famulus hatten, sind aufgrund der Verbesserungen und der Ersatzteillage auf den Famulus geschwenkt, sofern es ihnen möglich war. Eine weitere größere Anzahl DDR Schlepper, darunter auch der RS04/30, sind in der Wendezeit 1989 bis ca. 1992 unnötigerweise verschrottet worden. So hat sich die Anzahl der „Überlebenden“ weiter verringert. Ich möchte allen RS04/30 Besitzern den Mut machen diese seltenen Schätze weiter zu pflegen und auf Schleppertreffen zu präsentieren. Sie bereichern jede Veranstaltung ungemein.
 
Viele Bilder vom RS04/30 mit der großen Kabine findet ihr auf meiner Seite Literatur und Links, dort unter dem Link Wikimedia. Dann einfach die Suche benutzen wie beschrieben. Viel Spass.
 
Bereits nach der Einführung des RS04/30 wurde im Schlepperwerk Nordhausen die Planung und Konstruktion eines neuen Schleppertyps aufgenommen. Dieser neue Typ sollte das Bild der Landwirtschaft in der DDR weit über ein Jahrzehnt maßgeblich prägen. Dieser Radschlepper mit der Zählnummer 14 bei einer Leistung von 30PS wurde ab 1956 unter der Bezeichnung RS14/30 ausgeliefert. Die ersten ca. 1000 Stück sollen die Werkshallen mit der Werbebezeichnung „Favorit“ verlassen haben. Da es aber Probleme bei den Namensrechten gab, zog man diese Bezeichnung wieder zurück. Auf der Leipziger Messe 1958 wurde dann ein neuer Name für diesen Schlepper vorgestellt. Er sollte ab da unter dem Namen „Famulus“ in die Geschichte eingehen. Die Bedeutung des Namen Famulus, der aus dem lateinischen stammt, bedeutet so viel wie Diener oder Sklave. Und ein treuer Diener sollte dieser Schlepper dann auch über viele Jahrzehnte werden und noch heute sein. Dank der Mangelwirtschaft in der DDR, mussten einige Famulus Traktoren bis zum Ende der DDR ihren Dienst auf LPG und Firmen Höfen leisten. Auch bei uns im Ort musste ein Famulus RS14/36L bis 1990 die Melker zu den Kühen fahren. Wo er nach der Wende abgeblieben ist konnte mir keiner mehr sagen. Aber zurück zum Jahr 1956. Der RS14/30 wurde anfangs nur mit dem wassergekühlten Zweizylinder Motor bekannt aus dem RS04/30 angeboten. Dieser Motor lieferte eine Dauerleistung von 30PS bei einer Nenndrehzahl von 1500 U/min.
 
 
                                           Abb.1
RS14/30 wassergekühlt mit der alten Motorhaube! Das Foto stammt von Guido Jokisch -  Danke dafür!
 
Da der RS14/30 anders als sein Vorgänger im Laufe seiner Produktionsjahre immer weiter entwickelt werden sollte, sind einige verschiedene Famulustypen entstanden. Bereits 1957 stellte man dem wassergekühlten RS14/30 eine luftgekühlte Version zur Seite. Eines darf man heute nicht vergessen, die Traktoristen waren 1957 noch nicht so technisch versiert wie heute und man wollte ihnen das Leben etwas leichter machen. Der Famulus mit dem luftgekühlten Motor war vom Grundaufbau mit dem wassergekühlten vergleichbar. Lediglich die Art der Motorkühlung wurde geändert, dies geschah in dem sie die freistehenden Zylinder mit Kühlrippen versahen und mittels hochtourigen Axialgebläses die benötigte Kühlluft über Luftleitbleche zuführten und so die Abwärme abführten. Der Motor war nicht nur leichter als der wassergekühlte, nein er war auch wesentlich wartungsfreundlicher. Genau diese Wartungsfreundlichkeit bescherte ihm wohl bei den Bauern eine sehr große Beliebtheit. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Famulus Typen RS14/30W und RS14/30L unterschieden.
 
Eine genaue technische Übersicht der Unterschiede der Motoren und Famulus Typen findet ihr im Bereich Technik.
  
Abb.2                 Abb.3
 Links ein wassergekühlter Famulusmotor, rechts ein luftgekühlter Famulusmotor
  
Der luftgekühlte Famulus RS14/30L ist sehr schön an der Ausbeulung der Motorhaube auf der linken Seite im Bereich des Ölbadluftfilters zu erkennen. Diese Ausbeulung war notwendig, da das Axialgebläse sonst nicht unter die Motorhaube gepasst hätte. Die ersten luftgekühlten Famulus Traktoren hatten eine sehr einfach gestaltete Ausbeulung, die letzten eine formschönere. Ab wann sich diese Änderung durchsetzte kann ich leider nicht sagen. Die erreichten Stückzahlen der Famulus RS14/30W liegen bei 4640 Stück und beim RS14/30L bei erstaunlichen 8156 Einheiten. Während in den Export z.B. nach Frankreich und England fast  nur wassergekühlte Maschinen gingen, wurden im Inland eher luftgekühlte Famulus Schepper geordert.
 
 
oben die Motorhaube des luftgekühlten Motors in der alten, unten in der neueren Ausführung
 
 
Nicht nur die Entwicklung im Schlepperbau der DDR veränderte die Arbeitsweise auf den Äckern, sondern auch die Gerätschaften wurden ständig den neuen Anforderungen angepasst. So kam es dass immer mehr zapfwellengetriebene Maschinen die Arbeit auf den Feldern bestimmten. Diese Maschinen verlangten natürlich nach einer entsprechenden Zapfwellenleistung, die wie sollte es anders sein, vom Motor erbracht werden musste. Um nun diese Maschinen am Famulus betreiben zu können, musste die Motorleistung und folglich die Zapfwellenleistung erhöht werden. So oder so ähnlich kam es damals, dass die Ingenieure im Schlepperwerk Nordhausen die Zylinderlaufbuchsen von einem wassergekühlten RS14/30 von 115mm Nullmaß auf 120mm Nullmaß aufbohrten. Gleichzeitig erhöhten sie die Nenndrehzahl des Motors von 1500 auf 1600 U/min und verzeichneten eine Leistungssteigerung von 6PS. Der wassergekühlte Motor, der nun die Bezeichnung 2 KVD 14,5/12 SRW 36 erhielt leistete nun erstaunliche 36PS. Er hatte nun den gleichen Hubraum wie die luftgekühlten Motoren von 3280ccm. Den luftgekühlten Motor ließen die Ingenieure fortan auch mit 1600 U/min laufen, ließen die nach außen kommunizierte Dauerleistung aber bei 33PS. Um die Leistungssteigerung auch den Bauern und Traktoristen auf der LPG greifbarer zu machen, wurden die Famulus Traktoren folglich mit der Bezeichnung „Famulus 36“ ausgeliefert. Die luftgekühlten Varianten sollen nach Zeitaussagen eine gewisse Zeit parallel angeboten worden sein. Die Lieferung der RS14/30W wurde eingestellt, die der RS14/30L noch im gleichen Jahr. Der allseits sehr beliebte RS14/36L wurde in einer Stückzahl von 13176 hergestellt und ist die meistgebaute Variante der Famulus Traktoren.  
 
         Links ein RS14/36W in Quetzin 2008 und rechts ein RS14/36L in Markkleeberg 2007 beide im TOP Zustand! 
 
Da sich beim wassergekühlten Motor die Abwärme besser abführen ließ, entschied man sich im Schlepperwerk Nordhausen mit diesem Motor eine weitere Leistungssteigerung zu probieren. Da dieser Motor im Grundaufbau mit 3012 ccm und 1500 Umdrehungen an der Kurbelwelle 30PS leistete und mit der Erhöhung des Hubraumes auf 3280 cm bei einer Drehzahlsteigerung auf 1600 (später gar 1650) Umdrehungen schon 36PS brachte, konnte doch eine weitere Erhöhung der Leistung möglich sein. Und an dieser Stelle setzten die Ingenieure an, indem sie den Motor mit Hilfe der Einspritzpumpe in der Drehzahl weiter anhoben und die Leistungsabgabe überwachten. Der überarbeitete Motor, der nun die Bezeichnung 2 KVD 14,5/12 SRW 46 erhielt, leistete auf dem Motorprüfstand beachtliche 46PS bei einer Nenndrehzahl von 2000 U/min. Die ersten Famulus 46 wurden bereits Ende 1960 ausgeliefert und liefen parallel zum Famulus 36 mit dem Motor KVD 14,5/12 SRW 36.
 
 
                                       Abb.4
 Famulus RS14/46 ebenfalls aufgenommen in Quetzin 2008
 
Leider war der Motor des Famulus 46 mit dieser enormen Leistung überfordert. Dies äußerte sich besonders in Defekten der Zylinderkopfdichtung, gerissenen Zylinderköpfen und kochenden Kühlern, die daraus resultieren das der Motor die enorme Abwärme nicht ableiten konnte und thermisch völlig überfordert war. Des Weiteren sollte der Famulus 46, der der leistungsstärkste Serien Famulus war der je gebaut wurde, auch in anderen Baugruppen eine kleine Überarbeitung erfahren. Hier wäre wohl als bedeutendste Änderung das Getriebe zu nennen. Da dieser Famulus mit dem Standard 10 Ganggetriebe und seiner hohen Motordrehzahl wohl weit über 30 Stundenkilometer schnell gewesen sein muss, entschied man sich das Getriebe auf 8 Vorwärtsgänge zu beschränken. Diese Veränderung im Getriebe war bei den Famulus Schleppern einmalig, alle anderen Typen waren mit dem 10 Gang Getriebe ausgerüstet. Die restlichen Baugruppen wurden fast komplett vom RS14/36W übernommen. Die Unterschiede sind gut anhand der Ersatzteilkataloge von 1963 zu erkennen, da in diesen alle Modelle des Famulus vom RS14/30 bis RS14/46 aufgelistet sind.
 
Abb. 4aDie Entwicklungsstufen des RS14
 Die Entwicklungsstufen des RS14 aus der der Deutschen Agrartechnik 06/1960
 
Der Famulus 46 wurde von 1960 bis 1963 trotz der massiven Probleme mit dem Motor in einer Stückzahl von 3820 Einheiten an die Kunden ausgeliefert. Ich habe nun die Bedienungsanleitung des Famulus 46 von 1963 bekommen und musste feststellen, dass man den 46er ab 1963 mit 40PS Motor bei 1800 U/min und 10 Gang Getriebe auslieferte. Ich war immer der Meinung, dass alle 46er mit 46PS und 8 Gang Getriebe das Werk verlassen haben, aber dem ist nicht so. Der Motor behielt aber die Bezeichung KVD 14,5/12 SRW 46. Wieviele 46er mit 40PS ausgeliefert wurde wird man wohl nicht mehr feststellen können. Wie bereits erwähnt, wurde der 46er zeitgleich zum 36er mit Wasserkühlung hergestellt. Der wassergekühlte Famulus 36 kam dabei erst nach der Einstellung des Famulus 46 auf nennenswerte Stückzahlen und wurde dadurch nur in einer Gesamtanzahl von 1927 Maschinen ausgeliefert, bevor er durch eine weitere Entwicklungsstufe abgelöst wurde.
 
 
                                                         Abb.5
 unrestaurierter Famulus RS14/36W aufgenommen 2007 in Mecklenburg
 
Um jetzt den Kreis zu schließen, und auf die Entwicklung der Famulus RT Typen 315 und 325 zu kommen müssen wir wohl kurz über den Famulus 60 sprechen. Der Famulus 60 mit seiner Nullserie von 10 bis 20 gebauten Mustern (es gibt keine verlässlichen Aussagen) war eine wichtige Entwicklung im Schlepperwerk Nordhausen und beeinflusste die vorhandenen Famulus Schlepper sehr positiv. Das Schlepperwerk Nordhausen wollte mit der Entwicklung der Famulus 60 Traktoren, die intern die technische Bezeichnung RT330 erhielten, einen neuen Standardschlepper für die Bauern der DDR entwickeln. Leider waren sie bei dieser Entwicklung zu voreilig, hatten kein Budget und waren nicht innovativ genug. Zur gleichen Zeit wurden in Schönebeck die ersten Versuchsmuster des neuen ZT300 gebaut, der nicht mehr in alter Blockbauweise entstand, sondern der einen selbst tragenden Rahmen hatte an dem alle Baugruppen befestigt wurden und der leistungsmäßig mit 90PS Motor, neuem Getriebe und einer Doppelkupplung wesentlich weiterentwickelt war. Da man sich in Nordhausen weder die Zeit nehmen konnte noch wollte, wurde das bekannte Famulus Getriebe wohl fast vollständig in den RT330 übernommen. Da der Zweizylindermotor leistungsmäßig bereits ausgereizt war, entschied man sich dazu einen neuen Motor zu entwickeln der weiterhin auf Basis des Horchmotors aufgebaut war. Dieser neue Motor wurde mit Dreizylindern ausgerüstet und das komplette Kurbelwellengehäuse des Zweizylindermotors entsprechend überarbeitet. Des Weiteren erhielt der Schlepper ein Sturzsicheres Dach, eine Druckluftanlage für Anhängerbetrieb und ein neu entwickeltes Lenkgetriebe. Auch konnte dieser Famulus mit einer Allradvorderachse ausgerüstet werden. Die Zugleistung auf dem Acker war wohl laut Aussage aus der damaligen Zeit sehr gut und konnte sich mit anderen starken Schleppern wie z.B. dem Dutra D4KB messen, leider verkraftete des übernommene Standardgetriebe die erhöhte Motorleistung nicht und es kam ständig zu Problemen und Brüchen im Bereich des Kegelritzels - Tellerrades. So kam das Aus für den Famulus 60 bevor es richtig losgegangen war. Dies hat allerdings auch politische Gründe gehabt, da die Traktoren Produktion vollständig aus Nordhausen verlagert werden sollte und hier ein reines Motorenwerk entstehen sollte. Die Entscheidung den Famulus 60 nicht weiter zu entwickeln sondern einzustellen kam Winter 1963/64 - also in dem Zeitraum wo auch die Famulus RT315 und RT325 langsam in die Produktion kamen.
 
Famulus 60 RT330Abb.6
Famulus 60 RT330 (leider nicht in Serie gebaut)
 
Die Weiterentwicklung der Traktoren RS14/36L und RS14/36W erfolgte Ende des Jahres 1963 und sie wurden, so wie ich vermute, mit den neu entwickelten Baugruppen des RT330 ausgestattet. Ob diese Veränderung der Baugruppen auch ohne den Einfluss des Famulus 60 an den „normalen“ Famulus Schleppern stattgefunden hätte kann ich leider nicht sagen. Auch wurden die Famulus Schlepper in diesem Atemzug mit der neuen technischen Namensgebung versehen. Wurden die Schlepper vorher in KS für Kettenschlepper und RS für Radschlepper unterteilt, so gab es ab 1964 die Bezeichnungen RT für Radtraktor, GT für Geräteträger und ZT für Zugtraktor. Die luftgekühlten Famulus 36 hießen ab sofort RT315 und die wassergekühlten Famulus 36 wurden laut Werbebezeichnung in Famulus 40 umbenannt und erhielten die technische Bezeichnung RT325. Famulus 40 resultierte daraus, dass die Motoren nun mit verträglichen 1800 U/min arbeiteten und eine Nennleistung von 40PS bereit stellten. RT3xx entspricht der neuen Zugkraftklasse 3 und die 15 bzw. 25 waren reine Zählnummern um die Schlepper auseinander halten zu können. Der RT315 wurde 1964 und ganz weinige Fahrzeuge noch 1965 produziert in einer Stückzahl von 1569 Einheiten. Der RT325 wurde von 1964 bis 1965 gebaut und wurde in 4569 Einheite ausgeliefert, wobei 1965 noch 1040 Stück gebaut wurden laut alten Aussagen.
 
      Links ein Famulus RT315, rechts ein Famulus RT325 - beide aufgenommen auf der Agra 2007
 
Diese Verbesserungen der Famulus RT gegenüber den Famulus RS kann man in meinen Augen gar nicht hoch genug bewerten. Wurden alle anderen Famulus Schlepper vorher lediglich in der Leistung angepasst, was beim Famulus 46 ja auch zu großen Problemen führte, wurden die Famulus 36 ab Auslieferung 1964 in wichtigen Detailbereichen wesentlich verbessert. Als erste und fast allen Famuluskennern bekannte Veränderung möchte ich das neuentwickelte Lenkgetriebe ansprechen. Viele sprechen in diesem Zusammenhang auch von der sogenannten „Autolenkung“. So wurde das alte Lenkgehäuse mit seinem Lenkritzel, Lenksegmenten für links und rechts, den längeren Lenkstockhebeln und den geschwungenen Lenkschubstangen aus der Produktion genommen. Das neue Lenkgehäuse besitzt ein im Ölbad gelagertes Lenkgetriebe, bestehend aus der Lenkspindel, der Lenkmutter und kurzen Lenkstockhebeln, sowie geraden Lenkschubstangen.
 
        Links die alte RS14 Lenkung, rechts die neue RT Lenkung von der Seite aufgenommen
 
Die neue Lenkung ist oft der Hauptgrund, warum sich Schlepperfreunde die sich für den Famulus interessieren, unbedingt einen RT kaufen möchten. Das Fahrgefühl ist recht eindeutig zu beschreiben. Alles was am RS14 schwer ist und beim Fahren auf schlechter Straße gerne mal negativ auffällt und zurückschlägt, macht die RT Lenkung wesentlich leichter und angenehmer. Sie ist zwar nicht ganz so direkt wie die alte Lenkung, sicherlich ein Produkt der internen Übersetzung, macht dafür aber sehr viel Spaß beim Fahren und besonders beim Rangieren z.B. mit einem Anhänger. Da ich persönlich ja einen Famulus RS14/36L und einen Famulus RT325 habe, kann ich hier sehr gut aus eigenen Erfahrungen sprechen. Auch ist die von den RS14 bekannte automatische Einzelradbremse beim Lenkeinschlag nicht mehr vorhanden. Dafür hat man allerdings das Bremspedal geteilt und ermöglicht dem Fahrer dadurch eine Einzelradbremse.
 
Was ich an der Stelle noch einmal deutlich machen möchte, wenn ihr jetzt denkt mit einem RS14 kann man aufgrund der Lenkung nicht vernünftig fahren der irrt. Ist diese Lenkung neu ausgebuchst und alle Bauteile in Ordnung und spielfrei fährt sich dieser Famulus auf guter Straße direkter und satter, da er Lenkbefehle sofort umsetzt! Am Besten ihr testet vorher beide Modelle einmal bevor ihr euch entscheidet. Die RS14 sind meist günstiger zu bekommen als die RTs und Ersatzteile für die RS Lenkung gibt es auch noch mehr.
 
Als nächstes wäre das sturzsichere Wetterdach zu nennen. Dieses mit starken Rohrrahmen versehe Dach ermöglicht dem Fahrer auch bei Überschlägen mit dem Traktor ein Überleben. Besonders bei Fahrten mit beladenen Anhängern kam es in der Vergangenheit zu schweren Unfällen mit Verletzten und Toten. Und hier setzt die nächste innovative Neuerung der Famulus RT an. Wie im Vorsatz geschrieben kam es zu Unfällen im Anhängerbetrieb, da die Famulus Fahrbremse bei großen Lasten schnell an ihre Leistungsgrenze stößt. Aus diesem Grund wurden die RT315 und RT325 ab Werk mit einer Druckluftbremsanlage für Anhängerbetrieb ausgerüstet. So war es ab 1964 möglich bis zu zwei Anhänger mit Einkreisbremsanlage am Famulus sicher mitzuführen. Viele RS14 wurden im Laufe der Zeit in den Werkstätten nachträglich mit der Bremsanlage ausgestattet. Auch ich habe an meinem RS14/36L eine solche originale Bremsanlage angebaut um nicht als unberechenbares Geschoß am Straßenverkehr mit Anhänger teilzunehmen. Mir gibt es ein Gefühl der Sicherheit, wenn ich weiß dass der Anhänger seinen Teil dazu beiträgt rechtzeitig zum Stehen zu kommen. Sicherlich gibt es auch auflaufgebremste Anhänger, doch in der ehemaligen DDR hatte sich bekanntlich die Druckluftbremsanlage durchgesetzt. So war es einfach möglich Anhänger zwischen den verschiedensten Zugmaschinen zu tauschen.
 
                         Abb.7
 Links das sturzsichere Wetterdach, rechts ein Schema der RT Bremsanlage
 
Als weiteres Merkmal der RTs ist der veränderte Hydraulikbock zu nennen. Er wurde komplett überarbeitet und hat den Tank für das Öl nun nicht mehr separat oben drauf, sondern in den eigentlichen Bock integriert. Auch wurde die Verriegelung der Dreipunkthydraulik verändert und ist nun mittels eines kleinen Hebels möglich. Als Drittes hat man sich auch dem Steuerschieber angenommen und etwas verändert. Um dem Fahrer auch etwas entgegen zu kommen, wurde ihm ein neuer Sitz zur Verfügung gestellt. Dieser Sitz besteht aus der bekannten Sitzschale, die in einer Halterung mit einem Stoßdämpfer versehen aufgehängt wurde. Über Komfort lässt sich beim Famulus ja streiten, aber ich denke dass auch dies eine wertvolle Aufwertung der Famulus Traktoren darstellt. 
 
RT Heckhydraulik und neuer Fahrersitz
 RT Heckhydraulik und Fahrersitz im Detail
 
Eine weitere Anpassung der Technik erfolgte im Getriebe der RT Serie. So wurde die Steckachse auf der rechten Seite verlängert. Diese Verlängerung hatte den Hintergrund, dass nun das kleine Mittelstück der beiden kurzen Steckachsen praktisch in der neuen längeren rechten Steckachse aufgegangen ist. Die Sperre der beiden Achsen funktioniert weiterhin auf die gleiche Art und Weise. Da diese Lösung kompatibel zu den alten Getrieben ist, ist es möglich je nach Ersatzteillage entweder zwei kurze Steckachsen plus Mittelstück zu verbauen, oder eine kurze Steckachse links und eine lange Steckachse auf der rechten Seite. Standardisierung sei Dank, denn die Ersatzteile kann man ja leider nicht mehr bestellen und so kann man einiges untereinander tauschen. Damit sollten die beliebten Famulus Traktoren auch zukünftig zu erhalten und zu restaurieren sein. Es tauchen ja auch heute mehr als 20 Jahre nach der Wende noch immer einige Ersatzteile für den Famulus auf. Bitte seid bei Fahrzeugschlachtungen zurückhaltend, einmal geschlachtet ist dieser Famulus wohl für immer verloren...
  
Kurzes Fazit von mir:
 
 
Einmal Famulus Fan - immer Famulus Fan! Und das ist kein Spruch sondern "bittere" Realität. Ich kenne mittlerweile so viele Besitzer von Famulus Traktoren und alle bestätigen mir, dass der Famulus ein ganz besonderer Schlepper ist. Sein Motorenklang ist ein meinen Augen einmalig und gut von anderen Zweizylinderschleppern zu unterscheiden. Die Technik ist einfach, robust und gut zu Reparieren. Ersatzteile sind relativ günstig und ausreichend vorhanden. Aus all diesen Gründen haben Famulus Fahrer oft mehr als ein Modell in der Garage bzw. Werkstatt zu sehen und einmal restauriert überlebt ein gepflegtes Modell jeden Besitzer und erfreut noch die Nachkommen. Leider haben diese Nachkommen mit dem Hobby Famulus oft nicht so viel im Sinn und dadurch sind viele Liebhaberstücke auf dem Markt erhältlich. Dieser Umstand wird sich nach meiner Meinung in den nächsten Jahren sogar noch sehr verstärken.
 
Die RT Typen basieren auf den seit Jahren bewährten Baugruppen der RS14 Modelle und wurden in Hinblick auf Sicherheit und Komfort entscheidend und für die damaligen Verhältnisse technisch gut überarbeitet Der Sturzbügel und die Druckluftbremsanlage eingeführt 1964 war in meinen Augen bahnbrechend und setzen sich in der Bundesrepublick erst Jahre später durch. So kann man guten Gewissens behaupten, dass die Famulus Schlepper ausgereifte Produkte ihre Zeit waren und sich auch heute noch sehr großer Beliebtheit erfreuen. Ich für meinen Teil würde mir zukünftig wohl nur noch Famulus in RT Ausführung oder RS14 der Baujahre 1956/57 kaufen. Diese Aussage soll jetzt nicht heißen, dass ihr die Famulus zwischen 1960 bis 1963 nicht kaufen und instandsetzen sollt, ganz im Gegenteil alle Famulus Modelle sollten der Nachwelt erhalten bleiben. Aber besonders die ersten Modelle aus den Jahren 1956 und 57 sind interessant, da bei diesen damals eine besondere Motorhaube verbaut war die an der Vorderfront eine Art Drahtgeflecht und Aluzierleisten hatte. Auch die Vorderachse der ersten Traktoren war etwas anders, sie wurde vom RS01/40 II Typ Harz übernommen und war eine Art Kastenprofil. Des Weiteren waren auch die Hinterradfelgen vom RS04/30 übernommen. Und ob noch so ein originales Favorit Wetterdach irgendwo überlebt hat, wie unterhalb abgebildet? Ich befürchte nicht.
 
RS14/30 in ErstausführungAbb.8
 RS14/30 in Erstausführung ca. 1956/57
 
 
Und so schließe ich meine kurze Übersicht der Famulusmodellgeschichte. Ich hoffe ich habe nichts vergessen, verwechselt oder in der Reihenfolge vertauscht. Anregungen sind wie immer willkommen. Und nun lasst uns Spaß haben an unserem:
 
 
FAMULUS dem "Lanz Bulldog" des OSTENS!
 
  
Danke an Karsten für diese klasse Anregung!  
 

 

Solltet ihr euch noch tiefer in die Traktoren Geschichte oder auch in die Technik der DDR einlesen wollen, dann empfehle ein paar Links, Bücher, Zeitschriften und DVDs unter der Rubrik "Literatur und Links"

 

Quellenangabe der Abbildungen:

Abb.1 DEWAG Werbung Erfurt / Deutscher Innen und Außenhandel Transportmaschinen Berlin, Mohrenstraße 61

Abb.2 VEB (K) Mühlauser Druckhaus, Mülhausen / Deutscher Innen und Außenhandel Transportmaschinen Berlin, Mohrenstraße 61

Abb.3 VEB (K) Mühlauser Druckhaus, Mülhausen / Deutscher Innen und Außenhandel Transportmaschinen Berlin, Mohrenstraße 61

Abb.4 Deutscher Innen und Außenhandel Transportmaschinen Berlin, Mohrenstraße 61

Abb.4a Deutschen Agrartechnik 06/1960

Abb.5 DEWAG Werbung Erfurt / Deutscher Innen und Außenhandel Transportmaschinen Berlin, Mohrenstraße 61

Abb.6 DEWAG Werbung Erfurt / Deutscher Innen und Außenhandel Transportmaschinen Berlin, Mohrenstraße 61

Abb.7 DEWAG Werbung Erfurt / Deutscher Innen und Außenhandel Transportmaschinen Berlin, Mohrenstraße 61

Abb.8 VEB (K) Mühlauser Druckhaus, Mülhausen / Deutscher Innen und Außenhandel Transportmaschinen Berlin, Mohrenstraße 61

Für alle Bilder die aus originalen Prospekten, Büchern, und Zeitungen stammen, habe ich originale aus DDR Zeiten.  

Sollte ich dennoch ein Urheberrecht verletzt haben, dann schreibt mich bitte an ich möchte keinen Ärger haben und verfolge keine kommerziellen Ziele.